Haben Abschlüsse heute noch denselben Wert wie vor 10, 20 oder sogar 30 Jahren? Um diese Frage zu beantworten, die sich viele stellen, hat Moovijob.com eine Umfrage durchgeführt und Erfahrungsberichte gesammelt.
Eine übereinstimmende Feststellung: Die Wahrnehmung ist rückläufig
Eine kürzlich von der führenden Jobbörse Luxemburgs, Moovijob.com, durchgeführte Umfrage widmete sich der Frage, wie sich die Qualität von Abschlüssen im Laufe der Zeit verändert hat. Den Ergebnissen zufolge sind 10% der Befragten der Ansicht, dass diese Qualität gleich geblieben ist, 26% meinen, dass sie sich verbessert hat, während 64% der Ansicht sind, dass sie sich verschlechtert hat.

Grafik zur Entwicklung der Qualität von Abschlüssen
Mit anderen Worten: Fast zwei Drittel der Befragten finden, dass Abschlüsse an Wert verloren haben. Ein deutliches Urteil, das viele Fragen aufwirft zu pädagogischen Methoden, zur breiteren Zugänglichkeit von Hochschulbildung oder zur Anpassung an den tatsächlichen Bedarf des Arbeitsmarktes. Zeit, das Thema etwas genauer zu betrachten.
Ein Bildungswesen im Wandel
Digitale Tools, projektbasiertes Lernen, kollaboratives Arbeiten… Die Lehrmethoden haben sich modernisiert. Der Unterricht ist interaktiver und stärker auf die Lernenden ausgerichtet. Dennoch wird dieser Wandel bisweilen als Verlust an akademischer Strenge wahrgenommen. Früher standen Auswendiglernen und Disziplin im Vordergrund, heute geht es mehr um Selbstständigkeit, was laut einiger Stimmen auf Kosten der inhaltlichen Tiefe geht.
„In den letzten Jahrzehnten sind zahlreiche neue Abschlüsse entstanden, die mit den traditionellen Bildungseinrichtungen konkurrieren. Einige davon bieten einen echten Mehrwert, viele andere sind jedoch von sehr unterschiedlichem Niveau, je nach Institution“, stellt Pierre Schneider, HR-Spezialist, fest.
Die breitere Zugänglichkeit zur Hochschulbildung ist zweifelsohne ein Fortschritt. Sie ermöglicht es jungen Menschen aus allen sozialen Schichten, einen Abschluss zu erwerben. Doch diese Demokratisierung wird manchmal mit einem sinkenden Leistungsniveau gleichgesetzt: „Letztlich haben sowohl die Zahl der Abschlüsse als auch die Titel zugenommen, aber das durchschnittliche Niveau ist gesunken“, so Pierre Schneider weiter.
Ein weiterer Knackpunkt ist die Passgenauigkeit der Ausbildung im Verhältnis zu den Anforderungen der Unternehmen. Viele Befragte berichten von einer Kluft zwischen theoretischem Wissen und den praktischen Kompetenzen, die im Berufsalltag wirklich zählen. Die Studiengänge können mit dem rasanten Wandel und den branchenspezifischen Entwicklungen oft nicht mithalten, was Absolventen in der Realität manchmal unvorbereitet dastehen lässt.
„Das Meiste, was man in der Schule lernt, vergisst man später, weil man in der Praxis ganz anders denken, arbeiten und verstehen muss. Wirkliches Wissen kommt mit der Erfahrung, denn im Studium bleibt vieles einfach theoretisch“, erzählt Erhan Bolat, IT Legal Technology Specialist bei DLA Piper Luxembourg.
„Diplômite“ oder Bildungserfolg?
Angesichts dieser Kritik bleibt die Debatte offen: Handelt es sich um eine reine „Diplomflut“ oder doch um einen echten gesellschaftlichen Fortschritt? Die Antwort liegt wohl irgendwo dazwischen.
Heute verlangen viele Stellen ein Bachelor- oder gar Master-Niveau. Dieser akademische Wettlauf kann zur Hürde werden, gerade für Menschen, die eher praxisorientierte oder handwerkliche Wege bevorzugen. Manche sprechen bereits von „Diplômite“ (ein französischer Begriff), also einer Überbewertung von Abschlüssen auf Kosten praktischer Kompetenzen. Als Reaktion darauf setzen einige Unternehmen inzwischen verstärkt auf Quereinsteiger, Autodidakten oder Menschen in beruflicher Neuorientierung.
Gleichzeitig wird die Vielfalt an Studiengängen und die Öffnung der Hochschulen als großer sozialer Fortschritt wahrgenommen. Moderne Studiengänge bilden nicht mehr nur für einen bestimmten Beruf aus, sondern fördern auch wichtige übergreifende Kompetenzen, wie eine Engagement Assistant bei KPMG Luxembourg betont:
„Die Universitäten haben nicht nur ihre Lehrmethoden modernisiert, sondern auch ihre akademischen Standards in vielen Bereichen angehoben. Es wird mehr Wert auf kritisches Denken, interdisziplinäres Lernen und aktuelle Inhalte gelegt, die im Einklang mit den globalen Herausforderungen stehen.“
Viele Hochschulen integrieren mittlerweile praktische Elemente wie Praktika, duale Studiengänge, Teamprojekte oder internationale Erfahrungen. Ziel ist es, die Studierenden besser auf die realen Anforderungen der Arbeitswelt vorzubereiten. So entsteht eine Art Hybridbildung, bei der Theorie und Praxis immer stärker miteinander verschmelzen: „Ich denke, dass Abschlüsse heute besser auf das Berufsleben vorbereiten als früher. Viele Universitäten sind aktiv in Forschung und Innovation eingebunden, das sensibilisiert Studierende für die realen Herausforderungen unserer Zeit“, ergänzt die Engagement Assistant bei KPMG Luxembourg.
Auf dem Weg zu einem umfassenderen Talentverständnis
Auch die Unternehmen in Luxemburg passen ihre Auswahlkriterien an. Der Abschluss bleibt zwar eine wichtige Referenz, aber längst nicht mehr das alleinige Kriterium bei der Personalauswahl.
Gesucht werden Menschen mit Handlungskompetenz, Anpassungsfähigkeit und Problemlösungstalent, wie Erhan Bolat von DLA Piper Luxembourg bestätigt: „Ich schaue, ob die Person die richtige Denkweise mitbringt, ob sie bereit ist zu lernen und offen ist für neue Perspektiven. Ob sie außerhalb der üblichen Muster denken kann.“ Praxiserfahrungen wie Praktika, duale Ausbildungen, ehrenamtliches Engagement oder persönliche Projekte gewinnen im Lebenslauf zunehmend an Bedeutung.
Eine frühere Studie von Moovijob.com zeigte bereits, dass 40 % der Recruiter den Abschluss nicht mehr als allein ausschlaggebend betrachten: für sie zählt vor allem die Erfahrung.
Soft Skills wie Lernfähigkeit, Stressresistenz, emotionale Intelligenz oder Kommunikationsstärke werden immer relevanter, insbesondere in einem multikulturellen und dynamischen Arbeitsumfeld wie in Luxemburg.
Im Zuge des digitalen Wandels schätzen viele Arbeitgeber auch kontinuierliche Weiterbildungen. Online-Zertifikate, Weiterbildungen oder das Erlernen neuer Tools gelten heute als klare Zeichen für Agilität und Motivation.
Auch wenn immer mehr Schulen und Hochschulen Praxiselemente integrieren, bleiben viele Abschlüsse noch zu theoretisch. Und in einer Welt, in der immer mehr Menschen ein Diplom in der Tasche haben, verliert dieses automatisch an Aussagekraft für Arbeitgeber. Heute sind es vor allem konkrete Fähigkeiten und Erfahrung, die den Unterschied machen, auch wenn viele Unternehmen bei der Gehaltsfestlegung weiterhin stark auf den Abschluss achten.
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