Bei Moovijob.com haben wir das außergewöhnliche Projekt einer Gruppe von vier Luxemburgerinnen entdeckt, die sich IKO’L nennen. Am 28. Februar 2020 machten sie sich auf zu einem 120 km langen Orientierungstrek durch die marokkanische Wüste, der vier Tage dauerte. Über die sportliche Herausforderung hinaus wollten sie diesem Abenteuer eine noch stärkere Bedeutung geben, indem sie auf das Thema aufmerksam machten und Spenden für einen guten Zweck sammelten, zugunsten der Fondation Autisme Luxembourg (FAL).
Beeindruckt von ihrem Engagement wollten wir diese schöne Initiative unterstützen, indem wir Patrick SIMON, Kommunikations- und PR-Beauftragter der FAL, das Wort geben. Hier ist die schriftliche Wiedergabe dieses Gesprächs.
Hallo Patrick, und vielen Dank, dass Sie sich für dieses Interview Zeit nehmen. Die erste Frage ist ganz einfach: Was ist eigentlich Autismus, oder besser gesagt, wer ist autistisch?
Hallo Florane, Autismus ist eine Behinderung, die die kognitive Entwicklung betrifft und sich auf Kommunikation und zwischenmenschliche Interaktionen auswirkt. Da es sich um eine Behinderung handelt, gibt es kein „Wundermittel“. Allerdings kann sich das Leben autistischer Menschen deutlich verbessern, wenn sie frühzeitig und gezielt unterstützt werden.
In Luxemburg betrifft Autismus heute etwa eine von hundert Personen, also schätzungsweise 6.000 Menschen.
Gibt es unterschiedliche „Ausprägungen“ von Autismus?
Ja, auf jeden Fall. Jeder Mensch ist einzigartig, und somit ist auch jeder Autismus anders. International spricht man inzwischen von einer Autismus-Spektrum-Störung, die von leichten bis zu schweren Beeinträchtigungen reicht. Bei der Fondation Autisme Luxembourg arbeiten wir daran, jeder Person im Spektrum individuell nach ihren Bedürfnissen zu helfen. An einem Ende des Spektrums gibt es Menschen mit hohem Potenzial (Asperger-Syndrom, etwa 1 % der Fälle), die ein autonomes Leben führen können. In allen Fällen können bestimmte Symptome den Alltag beeinträchtigen, etwa Überempfindlichkeit gegenüber Licht, Geräuschen oder Geschmäckern.
Bedeutet Autismus heutzutage zwangsläufig, dass die Arbeitswelt unzugänglich ist?
Gute Frage! Grundsätzlich ist die Arbeitswelt nicht verschlossen, auch wenn es in der Praxis oft schwierig ist, einen Arbeitgeber zu finden, der langfristig bereit ist, eine autistische Person einzustellen. Das hängt sowohl von den Fähigkeiten der autistischen Person als auch von der Offenheit der Arbeitgeber ab. Die Einarbeitung einer autistischen Person erfordert oft mehr Zeit und Geduld, aber sie kann unglaublich wertvolle Beiträge leisten, etwa in Bezug auf Zuverlässigkeit, Präzision oder wiederkehrende Aufgaben.
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für die FAL ein zentrales Entwicklungsfeld der kommenden Jahre. In anderen Ländern haben Unternehmen bereits sehr gute Erfahrungen mit der Einstellung autistischer Personen gemacht, insbesondere im IT-Sektor.
Interessant! Wir wissen, dass der Bedarf an IT-Fachkräften enorm ist und es eigentlich zu wenige Bewerber gibt... Könnte man sich vorstellen, mehr autistische Personen in diesem Bereich in Luxemburg einzustellen?
Warum nicht? In Nizza beispielsweise beschäftigt ein Unternehmen derzeit 80 % autistische Asperger-Personen und bietet Softwareentwicklungsdienstleistungen an. Zu ihren Kunden gehört unter anderem Amadeus, eine große Plattform für Flugbuchungen. Auch in Luxemburg wächst das Interesse der Unternehmen, die jedoch noch mehr für die bestehenden Möglichkeiten sensibilisiert werden müssen.
Wie viele Bewohnerinnen und Bewohner hat die FAL derzeit?
Aktuell betreuen wir 32 feste Bewohnerinnen und Bewohner sowie etwa ein Dutzend Kinder in unserem Tageszentrum. Darüber hinaus unterstützen wir über 650 Familien in ganz Luxemburg, bei administrativen Verfahren, Einschätzungen usw. Zudem arbeiten wir mit mehr als 250 Fachleuten aus verschiedenen Bereichen zusammen.
Wie viele Mitarbeitende braucht es, um diese Personen zu betreuen?
Wir beschäftigen 113 Vollzeitäquivalente, die sich rund um die Uhr (24/7) um die etwa fünfzig Personen vor Ort kümmern.
Wie kann man Ihnen als Privatperson oder als Unternehmen helfen?
Wir suchen immer wieder Freiwillige, die uns bei verschiedenen Veranstaltungen unterstützen, etwa bei Ferienlagern, Freizeitaufenthalten für betroffene Personen oder inklusiven Ausflügen.
Außerdem kann jede und jeder im eigenen Umfeld Bewusstsein schaffen, indem man über das Thema spricht und die Informationen der Stiftung auf Social Media teilt.
Schließlich sind auch finanzielle Spenden sehr wichtig, da sie uns helfen, Kosten zu decken, die nicht durch staatliche Vereinbarungen finanziert werden. Wir haben eine neue Initiative gestartet, die „ËMMER DO“ heißt, luxemburgisch für „immer da“, um die tägliche Präsenz unserer Betreuungsteams sichtbar zu machen. Sie sind immer da, um autistische Menschen und ihre Familien zu unterstützen. Auch Sie können jetzt „ËMMER DO“ sein, indem Sie uns mit nur 1 € pro Tag unterstützen!
Vielen Dank, Patrick! Man spürt in Ihren Antworten große Motivation und persönliches Engagement. Wie sind Sie eigentlich Kommunikationsbeauftragter bei der FAL geworden?
Vielen Dank! Der Mensch stand für mich immer im Mittelpunkt. Ich habe bereits in mehreren humanitären Organisationen gearbeitet, sowohl als Angestellter als auch als Freiwilliger. Das Ziel, Autismus in Luxemburg bekannter zu machen und dadurch etwas zu bewegen, war für mich eine wunderbare Herausforderung.
Patrick, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihr Engagement für diese wichtige Sache. Einen schönen Tag und bis bald!
Sehr gern, danke Ihnen!
Alle Informationen zur Fondation Autisme Luxembourg finden Sie hier.

Foto: Fondation Autisme Luxembourg